Das Kriegerdenkmal

Das Gefallenenehrenmal der Peterskirche hat, bevor und seitdem es 1937 aufgestellt wurde, eine bewegte Geschichte hinter sich.

Der Entstehungszusammenhang

Auch aus finanziellen Gründen waren die Überlegungen, für die 1400 im 1. Weltkrieg gefallenen Mitgliedern der Peterskirchgemeinde einen Ort des Gedenkens zu schaffen, mehrfach verschoben worden. Doch 1932 begannen sie Form anzunehmen. Unlängst die Pfarramtsleitung angetreten, trieb Andreas Fröhlich das Vorhaben federführend voran.

Pfarrer Andreas Fröhlich (1886–1971) ist auch Herausgeber eines Kinderkalenders. Im Heft für das Jahr 1935 schreibt er unter dem Titel »Vorwärts im Glauben«:

Unsere Blicke gehen immer vorwärts. Wir träumen von künftigen Zeiten, wo wir einmal etwas schaffen und leisten können. […] Ein Christ darf niemals ein Träumer oder ein Fantast und erst recht nicht ein Köpfhänger sein, sondern wir wollen tapfer und mutig unseren Weg gehen, über Schmerzen und Nöte nicht klagen, sondern immer daran glauben, daß Gott uns hilft und schließlich doch zum Ziele führt. Jetzt steh eins ganz groß vor unseren Augen: Deutschland. Wir glauben an seine Zukunft und die Jugend muss alle Kräfte anstrengen, daß sie einmal mit großer Hingabe dem deutschen Volk und Vaterland dienen könne. […]

Es gab zunächst Ideen Namenstafeln im Inneren der Kirche anzubringen. Die Landesberatungsstelle für Kriegerehrungen des Landesvereins sächsischer Heimatschutz empfahl jedoch, ob der besseren Sichtbarkeit und auch aufgrund der Kosten, ein Denkmal vor der Kirche aufzustellen.

Angedacht war eine »monumentale Figur« ähnlich einer »Rolandsgestalt an nordischen Rathäusern«, wozu ein Wettbewerb ausgeschrieben werden solle. Zudem lehne man den üblichen Kitsch energisch ab, die Gemeinde sei fast die größte in Leipzig und müsse daher etwas bieten, das jeden Vorbeigehenden »erfreut und andächtig stimmt«, wie es im Briefverkehr Oberkirchenrats Fröhlich immer wieder heißt.

Den neuen politischen Regelungen für öffentliche Kunst entsprechend erfolgte die Betreuung des weiteren Verfahrens durch die Reichskammer der Bildenden Künste. Diese war für die Gleichschaltung von Kunst und Gesellschaft zuständig. Dem Kirchenvorstand stellte sie zur Betreuung des Wettbewerbs ihren Leipziger »Vertrauensmann« des Bundes Deutscher Bilderhauer e.V. zur Seite: Max Alfred Brumme.

Bei dem durch ihn maßgeblich vorbereiteten Wettbewerb nahm Brumme ungewöhnlicher Weise selbst teil. Obwohl sein Entwurf des sterbenden Soldaten, der in die Arme Jesu sinkt, der Jury zusagte, schied Brumme aus. Man vermutete zu hohe Kosten für die Doppelfigur. Nach einem monatelangen Streit mit dem Kirchenvorstand und unter vehementer Berufung auf die Reichskunstkammer, ging er schlußendlich doch als Sieger hervor. Er wurde vom Kirchenvorstand beauftragt, seinen Entwurf mit nur wenigen Änderungen schnellstmöglich umzusetzen.

Max Alfred Brumme (1891–1967), Leipziger Bildhauer und Maler, ist vor allem bekannt für die Ausgestaltung der Versöhnungskirche. Zeitlebens hatte er ein gutes Händchen dafür, die gewünschte Formensprache der Zeit zu bedienen: Im Dritten Reich kauften seine Werke u.a. Reichsmarschall Hermann Göring und Reichsjugendführer der NSDAP Baldur von Schirach. In der Erläuterung zu einem zweiten Entwurf für das Gefallenenehrenmal (»Engel mit Flammenschwert«) heißt es:

»Der Entwurf stellt die sieghafte Ueberwindung des Feindes symbolisch dar. Im Sinne der wiedererwachten Volkskraft, die die schmerzlichen Erschütterungen des Krieges überstrahlt, wird hier zur Ehrung für die Gefallenen ein stolzes Mahnmal gesetzt. Schmerz und die gefallenen Kämpfer weicht der erhebenden Gewißheit, daß aus Opfern eine heilige Saat aufging. Der Genius mit dem Flammenschwert spricht so vom deutschen Heldentum einer großen Zeit, fordert es von dem, der zu ihm aufschaut und ruft zur höchsten Einsatzbereitschaft. [...] Als Spruch wird vorgeschlagen: Heiliger Kampf um deutsches Land, Heiliges Schwert in Kriegers Hand, Heiliges Blut, dem Sieg geweiht, Dank Euch in Ewigkeit!«

Die Fertigstellung verzögerte sich durch Krankheit Brummes, aber auch durch die Vielzahl notwendiger Genehmigungen. Mit einem großen Festakt wurde das Denkmal schließlich am Totensonntag 1937 eingeweiht. Man spielte «Ich hatt‘ einen Kameraden«. Das Ehrenmal solle für »Heldentum und Christenglauben« der gefallenen 1400 Soldaten Zeugnis ablegen, wie Oberkirchenrat Fröhlich im Weihegottesdienst verlauten ließ. Darüber hinaus, so betonte Pfarrer Otto Lenz, sei durch ihren Opfertod »ein neues Deutschland der Freiheit und der Ehre« entstanden und durch ihr »Sterben und ihren Frontgeist« Deutschland »ein starker Führer gegeben«.

Kritik und Kontroverse

Das Kriegerdenkmal an der Peterskirche wurde seit seiner Aufstellung immer wieder beschädigt, beschrieben, bemalt, kritisiert und kommentiert. Eine frühe Äußerung kam aus dem antisemitischen, antichristlichen Lager. Weder Patriotismus noch Heroismus stehen hier in der Kritik, sondern der christliche Glauben und die Vereinnahmung der gefallenen Soldaten.

»Der jüdische Religionsgott knechtet die Deutschen. Sie wollen eine Religion auf deutscher Grundlage, nicht jüdisch. Naturverbunden. Der arme betrogene Krieger. Er starb für das Vaterland.«
Anonyme Karte eingegangen am 18. November 1938.

Max Alfred Brumme musste mehrfach Reparaturen am Denkmal vornehmen. Ein Junge aus der Kirchgemeinde beschädigte im Sommer 1943 den Soldaten. Offenbar waren der Plastik jedoch bereits zuvor mehrere Zehen zerschlagen worden. Im Jahr 1963 wendet sich Brumme aufgrund der „anhaltenden Verwüstung" und des „Vandalismus der Jugend" an den Kirchenvorstand. Er fordert eine Verlegung des Denkmals in die Kirche. Diese Anfrage wurde jedoch zunächst vertagt — und dann nie umgesetzt. Womöglich geriet sie auch in Vergessenheit, da Brumme 1965 in die BRD auswanderte.

Während man nach Kriegsende einige Denkmäler Brummes andernorts entfernte, blieb der sterbende Soldat in Jesu Armen am Hauptportal der Peterskirche. Er war in der neuen politischen Lage — vielleicht durch seinen nicht eindeutig politischen Bezug und das Protektorat der Kirche — offenbar geduldet. Nach einer Restaurierung einschließlich heller Oberflächenbehandlung dominierte das Denkmal seit 1997 mit den zusätzlich eingelassenen Jahreszahlen 1939-45 wieder den Kirchvorplatz.

Das Denkmal ist auf Grund seiner religiösen Bezüge nicht eindeutig kriegsverherrlichend zu bewerten. Dass Jesus gefallene Soldaten im Jenseits empfängt, steht außerhalb des politischen Diskurses um die Deutung des Krieges. Allerdings schließt es einen auch nicht aus.

»Doch auch in der verklärten Darstellung des sterbenden Soldaten selbst, in der gezielt ein makellos-kräftiger, unverwundeter Körper gezeigt wird, der wenig vom Schrecken des Krieges ahnen lässt, liegt die Botschaft verborgen. Der Zeitgeist findet gerade darin seinen Ausdruck, dass das Denkmal einen überhistorischen Anspruch erhebt, indem nicht nur Christus, sondern auch der ‚Krieger [...] zeitlos‘ sein soll. Das Denkmal sagt nicht Nein zum Grauen des konkreten Krieges, sondern es entrückt das Geschehen: Es gibt ihm eine religiöse Weihe und verleiht dem Sterben von Soldaten schlechthin einen religiösen Ewigkeitswert. Fröhlich schrieb 1937 an den Verein für kirchliche Kunst in Dresden über das Denkmal: ‚Als Motiv kann vom christlichen Standpunkt aus gesehen, kaum etwas Schöneres gewählt werden, als das Geborgensein des sterbenden Helden bei Christus.‘«
Aus: Kranich, Sebastian. Das Kriegerehrenmal vor der Peterskirche Leipzig. Ein Problem, in: Herbergen der Christenheit 28/29 (2004/05), S.281–288

Es ist daher nicht verwunderlich, dass trotz der größer werdenden zeitlichen Distanz jüngerer Generationen immer wieder Kritik an dem Denkmal geäußert wird. Diesem ist selbst bei der bloßen Betrachtung ohne Hintergrundwissen ein kriegsverherrlichendes Pathos in Verbindung mit der christlichen Religion nicht abzusprechen. Bis heute halten Beschädigungen, Verschmutzungen teils auch in Form kreativer Äußerungen in Bezug auf das Denkmal an.

Dies steht im harten Gegensatz zum nicht selten zu beobachtenden unkomplizierten, kritiklosen, sorgenfreien, ja nahezu alltäglichen Umgang mit der dargestellten Szene. Doch kann und sollte eine christliche Kirchgemeinde ein solches Kriegerehrenmal weiterhin unkommentiert stehen lassen?

Nachweise:
Anonyme Karte: Pfarrarchiv St. Petri, Leipzig.
Kinderkalender 1935. Andreas Fröhlich (Hrsg.), Glauchau i. Sa., Pilger-Verlag Julius Pickenhahn, 1934.
Brief sowie Entwurfsskizzen von M. Alf. Brumme: Pfarrarchiv St. Petri
Fotos: Corinna Pietsch, Johann Falk, Ulrike Schreiter, Karsten Alber, Exspectabo (wikipedia.org) und Pfarrarchiv St. Petri
Texte: Johann Falk und Corinna Pietsch