Gemeindeblatt Oktober/November

»Sehet, das Reich Gottes ist mitten unter euch!«

(Lukas 17,21)

Wo? In der Kirche? Mitten in Conne­witz, mitten in Lößnig? Zu den schön­sten Auf­gaben als Pfarre­rin gehört es für mich, mit Kindern oder Jugend­lichen die Kir­che zu erkunden. Ich durch­streife unsere beiden Kirchen sehr gerne mit Kinder­garten­kindern, mit Schul­klassen aus den Conne­witzer Schulen oder mit Konfir­man­dinnen und Konfir­manden. Da gibt’s viel zu fragen: »Ist der Kelch echt aus Gold?« oder »Darf ich mal auf der Orgel spielen?« oder »Woher kommt eigent­lich das Wasser bei der Taufe?« Manchmal staunen sie auch über den Schatten­wurf des großen Kruzi­fixes im Altar­raum. Da kann man, wenn das Licht entsprechend einfällt, auf einmal drei Gestalten er­kennen am Kreuz – so, wie es ja auch in den Evan­gelien erzählt wird. Dass das Abend­mahls­bild des Holz­künst­lers Hein­rich Behr aus einem einzi­gen Linden­baum ge­schnitzt wurde und sogar bei der Welt­aus­stellung in Chicago im Jahr 1893 einen Preis gewann, lasse ich gerne einfließen.
Das Aller­wich­tigste, das kann ich den Kindern aller­dings nicht zeigen: Gott. Ich kann nicht sagen: Da steckt er drin, dort ist er zu sehen. Das aber kann ich den Kindern sagen: Viele Men­schen vor uns haben hier zu Gott gebetet, gesungen, auf sein Wort gehört, geklagt, Gott gedankt, ge­zweifelt und ge­glaubt. Das liegt hier in der Luft. Es »riecht« hier nach dichtem mensch­lichem Leben, nach Freude und Sorgen, und es »riecht« hier nach Gott. Wir können hier mit ihm rechnen, das meint Jesu Wort: »Das Reich Gottes ist mitten unter euch!« Da ist nicht von frü­heren Zeiten die Rede oder der fernen Zukunft, sondern von der Gegen­wart, von unserer Gegen­wart. Das macht mir Mut, zu beten und zu hoffen, dass Gott er­scheint – mitten unter uns!
Vielleicht am Ewig­keits­sonntag, wenn wir Lichter anzünden für die Ver­stor­benen und wenn wir singen: »Du kannst nicht tiefer fallen als nur in Gottes Hand!«
Oder am 1. Advent früh am Morgen, wenn die Kinder der Kurrende singend ein­ziehen mit ihren Lich­tern in die dunk­le Kirche. Wir stimmen ein mit unseren Stimmen, wir geben das Licht weiter und nehmen einen Funken der Hoff­nung auf: »Es wird nicht dunkel bleiben über de­nen, die in Angst sind!«
Gottes Reich ist mitten unter uns – in der Kirche? Ja! Aber nicht nur da, auch dort, wo wir leben und ar­beiten, mitten im Alltag, wo wir glauben, zweifeln, strei­ten und neu anfangen. Auch da ist Got­tes Reich mitten unter uns. Am Buß- und Bettag wollen wir in diesem Jahr beson­ders um Frieden in der Welt bitten. »Den Frieden wecken«, unter diesem Thema steht die Ökume­ni­sche Frie­dens­dekade in diesem Jahr. Zu­sammen mit den Kon­firmanden und Konfirman­dinnen wollen wir Spiel­räume für den Frie­den entde­cken, die Sehn­sucht nach Frie­den vor Gott bringen und beten für die Men­schen, die sich nichts sehn­licher wün­schen als Frieden. Zu­ver­sicht­lich hoffe ich darauf, dass wir dabei auch etwas spüren davon, dass Gottes Reich »mitten unter uns« ist. »Wo Men­schen sich ver­gessen, die Wege ver­lassen und neu beginnen, ganz neu, da be­rühren sich Himmel und Erde, dass Friede werde unter uns.«

Ihre Pfarrerin Ruth Alber