Die Paul-Gerhardt-Kirche
Die Paul-Gerhardt-Kirche befindet sich im Leipziger Stadtteil Connewitz in der Selneckerstraße, nahe des Connewitzer Kreuzes. Ihre Architektur orientiert sich – nach dem Entwurf des Architekten Julius Zeißig – an den Formen der deutschen Renaissance.
Die Kirche erstreckt sich auf einem künstlich erhöhten Gelände in Ost-West-Richtung, wobei der Altar – entgegen der üblichen Orientierung – gen Westen gerichtet ist.
Das Äußere der Saalkirche wird von dem reizvollen Kontrast bestimmt, den die in rötlichem Rochlitzer Porphyr ausgeführten architektonischen Glieder zu den verputzten und hell gestrichenen Wandflächen bilden.
An der östlichen Schmalseite steht der 60 Meter hohe Turm mit dem in einem schmalen Vorbau befindlichen Hauptportal. Dem Glockengeschoss sind in alle vier Richtungen Balkone vorgebaut, darüber die großen Ziffernblätter der Turmuhr, die außerdem eine zur Hälfte goldene Mondkugel dreht, an der man auf der Eingangsseite die Mondphase ablesen kann.
Zwei Mosaiken der Berliner Firma Puhl & Wagner bilden den künstlerischen Schmuck des Eingangsbereichs. Im Portaltympanon ist der einladende Christus zu sehen, im Giebelfeld der Ecce homo (»Seht, was für ein Mensch!«), nach einem im 19. Jahrhundert sehr beliebten Gemälde des Italieners Guido Reni aus der Dresdener Galerie. Ursprünglich befanden sich über den Eingängen der den Turm flankierenden Treppenhäuser vier weitere Mosaiken mit den Darstellungen der Evangelisten. Sie blieben jedoch leider nicht erhalten.
Nach kriegsbedingter Glockenabnahme im Dezember 1941 erhielt die Kirche das jetzige Bronzegeläut im Juli 1956. Die Glocken wurden in der Glockengießerei Schilling, Apolda, gefertigt; sie klingen in der Tonlage f’ – as’ – b – ’des’’. Die Glocken wiegen 960 kg, 533 kg, 362 kg sowie 179 kg, und die Durchmesser betragen 117 cm, 96 cm, 86 cm sowie 70 cm.
Die Inschriften lauten:
Große Glocke: »LASSET EUCH VERSOEHNEN MIT GOTT [Kreuz mit Weltkugel] A D 1956 GEGOSSEN FÜR DIE IM KRIEGE 1939–1945 GENOMMENEN GLOCKEN«
Glocke 2: »SUCHET WAS DROBEN IST, DA CHRISTUS IST« [Chi Rho – Christusmonogramm]
Glocke 3: »FREUET EUCH, DASS EURE NAMEN IM HIMMEL GESCHRIEBEN SIND« [Ankerkreuz]
Kleine Glocke: »HALTET AN AM GEBET« [Opferschale mit Kreuz]
Als Tonbeispiel können Sie hier das Läuten zum Gottesdienst am Sonntagmorgen nachhören:
Filmaufnahmen der einzelnen Glocken und des Gesamtgeläuts können Sie sich hier ansehen.
Das Kirchenschiff ist 25 Meter lang und 17 Meter breit. Den Raum überspannt eine hölzerne, von Schmuckleisten gegliederte Tonnendecke, deren ornamentale Bemalung, ausgeführt vom Leipziger Kunstmaler Paul Edlich, erhalten ist.
Die Kirche verfügt im Schiff über 500 und auf den Emporen über 150 Plätze.
Das Schiff wird an den beiden Längsseiten von jeweils vier großen Rundbogenfenstern erhellt, deren Maßwerk bei allen Fenstern verschieden ist. Nachdem die ursprünglichen Fenster beim Bombenangriff am 4. Dezember 1943 zerstört worden sind, wurden 1954 die jetzigen Fenster eingesetzt. Die Entwürfe für alle Buntglasfenster in der Kirche stammen von Max Alfred Brumme. Die Darstellungen auf den Schifffenstern dienen der Verkündigung durch Symbole, verbunden mit je einem Liedvers von Paul Gerhardt. Es gibt ein Paar Weihnachts-, Karfreitags-, Oster- und Pfingstfenster.
Die Fenster im Altarraum tragen die Symbole für die Taufe und das Heilige Abendmahl.
Die Fenster in der Vorhalle entstanden 1959 und sind dem Gedenken an die Opfer des 2. Weltkrieges gewidmet.
Die Kapellenfenster tragen die Symbole für die vier Evangelisten (1954).
Wie die Evangelisten zu den charakterisierenden Symbolen gekommen sind, dazu hat Pfarrerin Alber einen Beitrag für das Gemeindeblatt geschrieben, der hier nachgelesen werden kann:
Das wertvollste Kunstwerk der Kirche ist das Schnitzbild »Heiliges Abendmahl«, nach Joh. 13,34 geschaffen von dem Leipziger Holzbildhauer Heinrich Behr, der auch den Altar und die Kanzel schuf, in Ergänzung des Altarbilds hin zu einem Gesamtkunstwerk für die neue Connewitzer Kirche. Er orientierte sich an byzantinischen Vorbildern und an einem gemäßigten Jugendstil.
Das Abendmahlsbild entstand allerdings bereits 1893; es wurde auf der im gleichen Jahr stattfindenden Weltausstellung in Chicago ausgestellt und dort mit einem Preis für zeitgemäße Kunst ausgezeichnet. Über das Schnitzwerk schrieb er: »Dasselbe zeichnet sich zunächst dadurch aus, indem es aus einer außergewöhnlich starken Riesenlinde bzw. deren Pfosten hergestellt ist, und die Bearbeitung daher eine besonders schwierige war.«
Heinrich Behr hat die Jünger Jesu seines Abendmahlsbildes selbst charakterisiert. Das Faltblatt mit seinen Erklärungen ist im Kirchenarchiv erhalten; Sie können es hier herunterladen:
In den 1950er Jahren wurde der Altarraum malermäßig instandgesetzt. Die üppige, ursprüngliche Jugendstilausmalung wurde abgewaschen und durch einen dem Zeitgeschmack und den finanziellen Möglichkeiten entsprechenden pastellfarbigen Anstrich ersetzt. Dabei wurde das Abendmahlrelief von Heinrich Behr von seinem angestammten Platz weg über den Taufstein in die Wand eingesetzt. Der reich mit Schnitzkunst verzierte Eichenholzrahmen ging dabei leider verloren. Begründet wurde diese Neuausrichtung damit, dass man die Sakramente der Taufe und des Heiligen Abendmahls zusammenführen möchte. Diese wahrscheinlich auf Max Alfred Brumme zurückgehende Umgestaltung wurde in den 1980er Jahren bei der zweiten malermäßigen Instandsetzung, bei der auch Elemente der alten Ausmalung zitiert wurden, zurückgebaut.
Das Kruzifix über dem Abendmahlsrelief – zwar ebenfalls von Heinrich Behr aus Lindenholz, aber nicht in Zusammenhang mit den übrigen Ausstattungsstücken geschnitzt – weist die Besonderheit auf, dass in der Schattenbildung die beiden Schächer zur Rechten und Linken gesehen werden können.
Zu den Altarmöbeln gehört auch der Taufstein, geschaffen von Steinmetzmeister Herrmann Hempel.
Seit 1974 hat die Kirche eine Schuke-Orgel mit zwei Manualen, einem Pedal, 28 Registern und 2079 Pfeifen.
Einige Tonbeispiele können Sie bei Interesse nun gern nachhören:
In dieser Aufnahme spielt Kantorin Elisabeth Kindel ein Concerto in D (Anonymus):
Wenn wir in höchsten Nöthen sein, Johann Sebastian Bach (Elisabeth Kindel):
Poco lento (Vieux Noël), César Franck (Elisabeth Kindel):
Batalla de 5. Tono, Anonymus (Elisabeth Kindel)
Und hier eine Bildfolge unter dem Motto »Das schöne Detail«: