Das Connewitzer Gemeindehaus
Das Gemeindehaus der vormaligen Paul-Gerhardt-Gemeinde (im Kirchweih-Jubiläumsjahr 2000 in »Paul-Gerhardt-Haus« benannt) wurde in den Jahren 1926/27 nach Plänen des Architekten Richard Wagner erbaut.
Während zunächst, d. h. in den Jahren des Kirchbaus 1898–1900, davon ausgegangen wurde, dass ein zukünftig einmal zu bauendes Gemeindehaus auf den noch heute freien Platz Ecke Selnecker-/Simildenstraße, gegenüber dem Kircheneingang gebaut werden soll (unser Kir[s]chgarten ist Teil dieser Fläche), wurde dann doch die Ecke Selnecker-/Brandstraße hinter und unterhalb der Kirche zum Bauplatz erwählt.
Dieser tiefergelegene Platz ist ursprünglich einmal eine Sandgrube gewesen, die nicht mehr als solche genutzt wurde, als man sich bis an den östlich/oberhalb davon gelegenen alten Friedhof – auf dem später die neue Kirche gebaut wurde – herangearbeitet hatte.
Danach wurde dieser Platz zu einem Sportplatz umgestaltet, der aber, vermutlich im Zusammenhang mit dem Bau der Sportanlage Teichstraße, Anfang des 20. Jahrhunderts aufgegeben wurde.
Zwischen der Gemeinde und dem Sportverein hat es enge Beziehungen gegeben, wurde doch der untere Saal für eine Mitnutzung als Turnhalle konzipiert und auch als solche eingerichtet.
Es hätte auch anders kommen können: Dann stünde auf der Grünfläche vor unserem heutigen Paul-Gerhardt-Haus ein schlichteres Gebäude direkt an der Selneckerstraße. Der Zimmermeister und stellvertretende Vorsitzende des Kirchenvorstands Karl Nöllert hatte am 20. November 1921 Pläne und statische Berechnungen für einen Notbau eines Gemeindehauses »auf dem der hiesigen Kirchgemeinde gehörigen Flurstücke« als Bauantrag eingereicht. An einen 10 × 18 Meter großen Saal in Fachwerkbauweise mit Bretterverschalung sollte sich ein massiv in 36er Mauerwerk aufgeführter zweigeschossiger Anbau fügen, mit Unterrichtsräumen im Erd- und einer Dreizimmerwohnung im Obergeschoss.
Auf behördlicher Seite fand der Entwurf des Zimmermeisters wenig Anklang, erinnerte das Erscheinungsbild wohl eher an das Vereinsheim einer Schrebergartenkolonie. Im Ergebnis forderte der Stadtbaumeister, »dem Notbau … ein gefälligeres, seiner Lage und Umgebung angepasstes Aussehen zu geben.« Wenig später lieferte das zuständige Stadterweiterungsamt selbst einen Gegenvorschlag, den der von gemeindlicher Seite hinzugezogene Architekt Gustav Steinert im Mai 1922 wiederum überarbeitete. So erhielt die biedere Putzfassade mit ihren einfachen Fenstereinschnitten nun im Art-Déco-Stil gestaltete Tür- und Fensterrahmungen. Der Gemeindesaal konnte über drei zweiflüglige Türen mit einem weiteren Raum verbunden werden. Es gab eine Garderobe, Toiletten und einen kleinen Raum im Parterre, während im Obergeschoss wiederum eine (Dienst-)Wohnung vorgesehen war.
Aus heutiger Sicht ist es ein großer Gewinn, dass das Eckgrundstück zur Brandstraße als öffentliche Grünfläche unbebaut erhalten geblieben ist, und dass mit dem nur fünf Jahre später errichteten Art-Déco-Bau von Architekt Richard Wagner an der Brandstraße eines der größten und architektonisch interessantesten evangelischen Gemeindehäuser in Leipzig entstand. »Weil die Errichtung des geplanten Notbaus eines Gemeindehauses infolge der inzwischen eingetretenen furchtbaren Verteuerung derzeit nicht auszuführen ist«, wurde das 1921 von Kirchenvorstand Nöllert eingereichte Konzessionsgesuch per Schreiben vom 16.12.1922 zurückgezogen.
Es handelt sich beim Connewitzer Gemeindehaus um einen Saalbau im Stil des Art déco, mit hohem Stufengiebel zur Brandstraße; die Längsseite liegt zurückgesetzt hinter einer Grünanlage zur Selneckerstraße. Der Saalbau ist mit schmalen hohen Fenstern im Ober- und mit Parabelbogenfenstern im Erdgeschoss versehen. Auch der Eingang (mit St.-Georg-Relief im Schlussstein) und die Fenster im Klinkersockel besitzen diese Parabelbogenform, eine zeittypische Verwandlung des gotischen Spitzbogens, der die sakrale Bestimmung des Bauwerks andeutet. Das langgestreckte Saalgebäude wird durch ein Querhaus, ebenfalls mit Stufengiebel, unterbrochen und mit einem niedrigeren Bühnenanbau abgeschlossen.
Im Inneren finden wir Art-déco-Schmuck an den Pfeilern der Halle und den Pilastern zwischen den hohen Fenstern. Insgesamt ist der Bau charakteristisch für eine Tendenz in der Leipziger Baukunst dieser Zeit, die latent an den »gotischen« Ziegelexpressionismus anknüpfte.
(Quelle: Denkmale in Sachsen/Stadt Leipzig/Band 1: Südliche Stadterweiterung)
Die Einweihung des neuen Gemeindehauses fand am 6. November 1927 statt.
Hiervon ist im Kirchenarchiv der Programmzettel erhalten.
Und schließlich ist auch dieser Artikel der Leipziger Abendpost vom 7. November 1927 informativ und lesenswert!