Das Connewitzer Gemeindehaus

Das Gemeindehaus der vormaligen Paul-Gerhardt-Gemeinde (im Kirch­weih-Jubiläums­jahr 2000 in »Paul-Gerhardt-Haus« benannt) wurde in den Jahren 1926/27 nach Plänen des Architekten Richard Wagner erbaut.

Gemeindehaus im Luftbild, ca. 1930
Gemeindehaus im Luftbild, ca. 1930

 

 
Der Bauplatz
Ehemalige Sandgrube und alter Friedhof, um 1850

Während zunächst, d. h. in den Jahren des Kirchbaus 1898–1900, davon aus­gegangen wurde, dass ein zukünftig einmal zu bauendes Gemeinde­haus auf den noch heute freien Platz Ecke Selnecker-/Similden­straße, gegenüber dem Kirchen­eingang gebaut werden soll (unser Kir[s]chgarten ist Teil dieser Fläche), wurde dann doch die Ecke Selnecker-/Brand­straße hinter und unterhalb der Kirche zum Bauplatz erwählt.

Dieser tiefergelegene Platz ist ursprüng­lich einmal eine Sandgrube gewesen, die nicht mehr als solche genutzt wurde, als man sich bis an den östlich/ober­halb davon gelegenen alten Friedhof – auf dem später die neue Kirche gebaut wurde – heran­gearbeitet hatte.

Turnplatz vor der Sandgrube, um 1900

Danach wurde dieser Platz zu einem Sportplatz umgestaltet, der aber, ver­mut­lich im Zusammen­hang mit dem Bau der Sportanlage Teichstraße, Anfang des 20. Jahr­hunderts aufgegeben wurde.

Zwischen der Gemeinde und dem Sport­verein hat es enge Beziehungen gegeben, wurde doch der untere Saal für eine Mit­nutzung als Turnhalle konzipiert und auch als solche eingerichtet.

Erste Entwürfe
Erster Gemeindehaus-Entwurf an der Selneckerstraße

Es hätte auch anders kommen können: Dann stünde auf der Grünfläche vor unserem heutigen Paul-Gerhardt-Haus ein schlichteres Gebäude direkt an der Selnecker­straße. Der Zimmer­meister und stell­vertretende Vor­sitzende des Kirchen­vorstands Karl Nöllert hatte am 20. Novem­ber 1921 Pläne und statische Berech­nungen für einen Notbau eines Gemeinde­hauses »auf dem der hiesi­gen Kirch­gemeinde gehörigen Flur­stücke« als Bauantrag eingereicht. An einen 10 × 18 Meter großen Saal in Fachwerk­bauweise mit Bretter­verscha­lung sollte sich ein massiv in 36er Mauerwerk auf­geführter zwei­geschossiger Anbau fügen, mit Unterrichts­räumen im Erd- und einer Drei­zimmer­wohnung im Obergeschoss.

Verbesserter Gegenentwurf, nicht realisiert

Auf behördlicher Seite fand der Entwurf des Zimmer­meisters wenig Anklang, er­innerte das Erscheinungsbild wohl eher an das Vereinsheim einer Schreber­garten­kolonie. Im Ergebnis forderte der Stadt­baumeister, »dem Notbau … ein gefälligeres, seiner Lage und Umgebung angepasstes Aussehen zu geben.« Wenig später lieferte das zu­ständige Stadt­erweiterungs­amt selbst einen Gegen­vorschlag, den der von gemeind­licher Seite hinzu­gezogene Architekt Gustav Steinert im Mai 1922 wiederum überarbeitete. So erhielt die biedere Putz­fassade mit ihren einfachen Fenster­einschnitten nun im Art-Déco-Stil gestaltete Tür- und Fenster­rahmungen. Der Gemeinde­saal konnte über drei zweiflüglige Türen mit einem weiteren Raum verbunden werden. Es gab eine Garderobe, Toiletten und einen kleinen Raum im Parterre, während im Ober­geschoss wiederum eine (Dienst-)Wohnung vorgesehen war.

Aus heutiger Sicht ist es ein großer Ge­winn, dass das Eck­grundstück zur Brand­straße als öffent­liche Grün­fläche un­bebaut erhalten geblieben ist, und dass mit dem nur fünf Jahre später errich­teten Art-Déco-Bau von Architekt Richard Wagner an der Brand­straße eines der größten und architek­tonisch interes­san­testen evange­lischen Gemeinde­häuser in Leipzig ent­stand. »Weil die Errich­tung des geplanten Notbaus eines Gemeinde­hauses infolge der inzwischen ein­getrete­nen furcht­baren Verteuerung derzeit nicht aus­zuführen ist«, wurde das 1921 von Kirchen­vorstand Nöllert ein­gereichte Konzes­sions­gesuch per Schreiben vom 16.12.1922 zurück­gezogen.

Das Gebäude
Kirche und Gemeindehaus, kurz nach dessen Fertigstellung

Es handelt sich beim Connewitzer Gemeinde­haus um einen Saalbau im Stil des Art déco, mit hohem Stufen­giebel zur Brandstraße; die Längs­seite liegt zurück­gesetzt hinter einer Grün­anlage zur Selnecker­straße. Der Saalbau ist mit schmalen hohen Fenstern im Ober- und mit Parabel­bogen­fenstern im Erd­geschoss versehen. Auch der Eingang (mit St.-Georg-Relief im Schluss­stein) und die Fenster im Klinker­sockel besitzen diese Parabel­bogenform, eine zeit­typische Verwand­lung des gotischen Spitzbogens, der die sakrale Bestimmung des Bauwerks andeutet. Das lang­gestreckte Saalgebäude wird durch ein Quer­haus, ebenfalls mit Stufen­giebel, unter­brochen und mit einem niedrigeren Bühnen­anbau abgeschlossen.

Großer Saal, Blick zur Bühne

Im Inneren finden wir Art-déco-Schmuck an den Pfeilern der Halle und den Pilastern zwischen den hohen Fenstern. Insgesamt ist der Bau charakte­ristisch für eine Tendenz in der Leipziger Baukunst dieser Zeit, die latent an den »gotischen« Ziegel­expressio­nismus anknüpfte.

(Quelle: Denkmale in Sachsen/Stadt Leipzig/Band 1: Südliche Stadterweiterung)

Einweihung des Hauses 1927
Programm zur Einweihung des Gemeindehauses am 6. November 1927

Die Einweihung des neuen Gemeindehauses fand am 6. November 1927 statt.
Hiervon ist im Kirchenarchiv der Programmzettel erhalten.

Leipziger Abendpost vom 7. November 1927

Und schließlich ist auch dieser Artikel der Leipziger Abendpost vom 7. November 1927 informativ und lesenswert!